Chaya Czernowin

Infinite now

Oper in 6 Akten

Lektor: PD Dr. Andreas Krause
Notengraphik: Wesselin Karaatanassov, Ph. D.

Schott Music
Mainz

Beschreibung

Chaya Czernowins Oper „Infinite now“ wurde 2017 an der Flaamse Opera Gent uraufgeführt und gelangte kurz darauf am Nationaltheater Mannheim zur Deutschen Erstaufführung. Bei der Kritiker-Umfrage der Zeitschrift Opernwelt wurde das Werk der an der Harvard University lehrenden israelischen Komponistin zur Uraufführung des Jahres gewählt. Die Herausforderung bei der Umsetzung des Manuskripts in eine praktisch nutzbare Partitur und in Stimmen bestand in der extremen Durchmischung von grafischer Notation, elektronischen Komponenten und anspruchsvollster zeitgenössischer Komponierweise in klassischer Notation. Zudem erforderten zwei Vokal-Trios und ein Instrumental-Quartett das Erstellen separater Auszüge.

Das Stück basiert auf zwei Texten: Zum einen auf der Kurzgeschichte „Homecoming“ des chinesischen Schriftstellers Can Xue, zum anderen auf dem Theaterstück „Front“ von Luk Perceval, dem wiederum der Antikriegsroman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque zugrunde liegt; hinzu kommen Briefe von Soldaten aus dem I. Weltkrieg. Beide Texte beschreiben einen Zustand des Verharrens. In „Front“ liegen die Soldaten im Graben und sind einem scheinbar nicht endenden Kampf ausgeliefert. Sie rücken einige Kilometer vor, um dann wieder auf ihre ursprüngliche Position zurückzukehren. Ein tödlicher Teufelskreis. In „Homecoming“ glaubt eine Frau, auf ihrer Reise ein Haus zu durchqueren, bis sie merkt, dass es unmöglich ist, das Haus zu verlassen, weil es sich oberhalb eines Abgrunds befindet, wo ein alter Mann als illusionärer Führer dient. Das langsame Verschmelzen zweier scheinbar nicht miteinander verbundener Welten legt nahe, dass man, um zu überleben, den Willen finden muss, weiterzumachen und Hoffnung im einfachsten Element des Lebens zu finden, im Atmen. In diesem Sinne geht es in der Oper nicht nur um die Heimkehr oder um den I. Weltkrieg. Sie handelt von unserer Existenz im Hier und Jetzt. Wie wir überleben, wie wir zum Überleben bestimmt sind und wie selbst der kleinste Funken Lebenskraft unser Überleben und damit vielleicht Hoffnung ermöglicht.

Begründung der Jury

Dass man Opern ohne Aufführungsmaterial nicht auf die Bühne bringen kann, scheint ein Gemeinplatz – jeder, der in ein Opernhaus kommt, blickt zuerst in den noch leeren Orchestergraben und sieht vielleicht die Partitur für den Dirigenten und die vielen Notenständer mit den Stimmen für die Musiker. Selten aber sieht ein breiteres Publikum, was da wirklich steht. Zeitgenössische, avantgardistische Opern zu verlegen, ist immer ein Abenteuer und braucht in vieler Hinsicht Engagement von allen Beteiligten – umso mehr, je weniger und vor allem je weniger selbstverständlich öffentliche Mittel für die Herstellung der Aufführungsmateriale zur Verfügung stehen. 

Das Material zu Chaya Czernowins Oper „Infinite now“ zeigt, wie die Interaktion zwischen Komponistin und Verlag zur Herstellung eines differenzierten und auf die verschiedenen Funktionen im Gesamtgefüge abgestimmten Aufführungsmaterials für ein großbesetztes, hochkomplexes Bühnenstück mit sieben Solisten, zwei Vokaltrios, Orchester mit Solisten, drei sehr ausdifferenzierten Schlagzeugparts und Elektronik führen kann. Schon der Blick in die Partitur zeigt schnell, dass hier – um der Lesbarkeit willen – jede Seite einzeln skaliert und in sehr hoher Auflösung gedruckt werden mußte, um jeweils die wechselnden Besetzungen in größtmöglicher Schriftgröße und -schärfe zu präsentieren. Das Stimmenmaterial eines solchen Stückes kann nicht einfach aus der Dirigierpartitur herausgezogen werden, sondern muss jeweils individuell mit Verweisen auf Einsätze anderer Stimmen, Stichnoten, Textstichworten etc. ausgestattet werden. Koordinierte Parts wie etwa geteilte Streicherparts oder die beiden Vokaltrios brauchen eigene Partitur-Auszüge. Dies alles ist aufwändig und erfordert professionelle Sachkenntnis von vielen Beteiligten, ermöglicht aber überhaupt erst, ein solch komplexes Werk in vertretbarer Zeit so einzustudieren, dass man als Zuschauer von diesem ganzen Aufwand nichts mehr bemerkt. Grund genug, solch ein Material im vorliegenden, vorbildhaft gelungenen Fall einmal selbst auf die Bühne zu bringen. 

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