Luigi Nono

Il canto sospeso

Faksimile des Partiturautographs

Herausgeber: Christoph Flamm
Englische Übersetzung: Margit McCorkle
Lektorat: Astrid Opitz
Layout und Herstellungsleitung: Elke Dörr

Schott Music
Mainz

Beschreibung

Basierend auf Textstellen aus letzten Briefen zum Tode verurteilter europäischer Widerstandskämpfer und deren bezwingender musikalisch-seriellen Umsetzung gehört Il canto sospeso von Luigi Nono zu den bedeutendsten Werken des 20. Jahrhunderts. Die Faksimileausgabe stellt vierfarbig und im Originalformat im Hauptteil die Quellen D-B, 55 Nachl 100/A, 265,1 und 55 Nachl 100/A, 266 dar. Im Anhang wird auch die spätere, finale Fassung von Nr. 3 (D-B, 55 Nachl 100/A, 265,2) abgedruckt. Versehen mit einem ausführlichen Vorwort von Christoph Flamm und einer Übersetzung ins Englische von Margit McCorkle.

Begründung der Jury

Die Frage, ob technische Reproduktionen jemals die Aura eines Originals erreichen können, stellt sich nicht nur bei Kunstwerken, sondern auch bei Noten-Faksimiles. Wer etwa vor 1989 bei Besuchen in Ostberlin den „Zwangsumtausch“ in Reproduktionen von Bach-Autographen investierte, der bekam wohl einen Eindruck von historischer Notation und Bachs handschriftlichem Temperament, aber kaum von Quellendetails, Farbvaleurs oder gar Papierqualität. Im Vergleich zu diesen liebevoll, aber technisch unzulänglich gedruckten Ausgaben erscheint jetzt die Faksimile-Ausgabe von Luigi Nonos Canto sospeso wie ein Ferrari neben einem Wartburg.

Allein das Format von 52 x 37,5 cm im taubenblauen Leinendeckel macht Nonos bahnbrechende Kantate 66 Jahre nach der Kölner Uraufführung (mit den Kräften des WDR unter Hermann Scherchen) zu einer bibliophilen, nahezu zeitenthobenen Kostbarkeit, an der man sich auch im Inneren nicht sattsehen kann. Christoph Flamm erläutert im Vorwort noch einmal die historische Bedeutung des Werks und den musikalisch höchst individuellen Umgang Nonos mit der seriellen Methode ‒ aber auch sein Beharren auf einer klaren antifaschistischen Haltung, die sich in der Vertonung von Briefen verurteilter Widerstandskämpfer:innen äußert.

Vor allem aber blickt man staunend auf Nonos unbeirrbar präzise und kraftvolle Notenhandschrift, auf die in verschiedenen Farben angebrachten Gesangstexte, Anweisungen, Korrekturen (es handelt sich um die Druckvorlage) und Ausstreichungen von zuweilen Beethovenscher Wildheit. Dies alles wirkt ‒ bis hin zu den winzigen Eintragungen des Notensetzers ‒ so plastisch und die originale Chamoistönung des Notenpapiers so authentisch, dass man meint, die Noten gerade vom Komponisten ausgehändigt bekommen zu haben (inklusive der nachgereichten finalen Version des dritten Satzes im Anhang).

Nonos Autograph befand sich bis zum Jahr 2014 im historischen Archiv des Schott-Verlags in Mainz, bevor es zusammen mit etwa 400 weiteren Musik­hand­­schriften an die Staatsbiblio­thek zu Berlin verkauft wurde, die es mittlerweile auch digital zugänglich gemacht hat. Aber im Gegensatz zum Bildschirm gibt die luxuriöse Papierausgabe zumindest eine Ahnung von der Aura eines Werks, das Geschichte machte und für den Komponisten Luigi Nono einen so zentralen Stellenwert hat.

Größe, Papier, Gesamtausstattung sind sehr gut gewählt. Die Faksimiles sind in der Qualität und Farbigkeit zusammen mit der exakten Handschrift und gleichzeitig sehr lebendigen Notation von Luigi Nono ein Genuss.

 

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